Die Fähre soll 14:00 Uhr in Oslo ablegen. Spätestens zwei Stunden soll man am Check Inn vorfahren.
Also bleibt früh Zeit für ein ausgiebiges Frühstück IN der Mupfl. Draußen ist es bereits gehörig nass. Wie wir den Nachrichten später entnehmen ist das nur ein Vorbote – als wir Oslo verlassen haben, schalten die Wolkenolme auf Trauer und vergießen mal schnell siebzig Liter Tränen pro Quadratmeter auf den Boden Oslos.
Selbst der mäßige Regen in der Nacht hat die Wiese auf dem Stellplatz so aufgeweicht, dass ich mir Sorgen machen, wie wir das leicht hügelige Gelände verlassen sollen. Ähnlich wie beim Boule lese ich das Gelände und suche mir eine geschickte Rangiertaktik heraus. Diese hat am Schluß ein Spurtstück, damit ich durch den Morast auf den asphaltierten Weg komm. Als ich gerade in der „Spurtphase“ bin, denkt ein vollkommen bekloppter PKW-Fahrer aus Hannover, ich wolle mit ihm so eine Art Ampelrennen machen. Er gibt Gas und stellt sich mit breitem Grinsen und hupend mir direkt in den Weg auf den Asphalt. Mir bleibt nur noch eine abenteuerliche Schlenkertour um diesen Idioten herum. Loide! Nachdenken tut gar nicht so weh, wie man immer denkt!
Wir kommen ohne Zwischenfälle viel zu früh (schon drei Stunden vor Abfahrt) an. Man weist uns den Weg in die Gasse 1, was uns vollkommen zu Unrecht hoffnungsfroh stimmt.
Es vergehen knapp zwei Stunden mit kollektivem Warten in den vielen Warteschlangen. Dann beginnt ein Nervenkrieg, wie ich ihn lange nicht mehr erlebt habe. Der (genau ein) Einweiser, der die sicherlich fast 1000 Autos bändigen soll, lässt immer mal eine kleine Zahl von PKW (mal 10 mal 30) durch, dann verschwindet er wieder auf unbestimmte Zeit. Den Grund ahne ich wohl – wir haben ja gestern beim Vorbeifahren mit den Fahrrädern gesehen, dass über separate uns nicht sichtbare Gassen auch noch der Frachtverkehr verladen wird und der macht das alles sehr langsam, weil alle LKWs zusätzlich verzurrt werden müssen.
Trotzdem wirkt das Ganze vollkommen unorganisiert und wenig durchdacht. Als dieser (wahrscheinlich überforderte) Mensch dann an Stelle der großen Mobile in Gasse 1 (die alle wie wir sehr früh da waren) die gleichen Mobile der Reihe 17 (die sehr viel später kamen) aufs Boot winkt bricht unter den Mitwartern meiner Reihe und auch in unserem Auto leichte Panik aus. Es keimt die Sorge, man habe sich bei der Beladung wegen des heranziehenden Sturmtiefs verkalkuliert und wir müssten möglicherweise hier bleiben. Die Gelbweste gibt allen, die nachfragen nur unwirsche und unbestimmte Auskünfte.
Die Abfahrtszeit der Fähre verstreicht. Es ist 14:15 Uhr und die Stimmung auf dem Siedepunkt. Der Parkplatz hat sich geleert – es steht nur noch unsere unglückliche Gasse 1 da. Seit 13:50 ist die Durchfahrt zum Schiff (ein schweres Schiebetor) fest verschlossen und der Typ wurde nicht mehr gesehen.
Doch dann geht das Tor ein letztes Mal auf. Die Gelbweste erscheint und bittet nun auch uns in den Frachtraum. Nun kann sich jeder denken, was er will – ich bin eigentlich durch so etwas nur schwer aufzuregen. Aber dieses Warten ohne jegliche Kommunikation hat erheblich an meinen Nerven gezerrt. Ich bin fix und fertig.
Wir beziehen unsere Kabine und sind rechtzeitig zum Auslaufen auf dem Oberdeck. Dann gehen wir ganz nach oben, ganz nach vorn,. Da ist die Skybar mit ganz brillanter Aussicht – falls es denn Aussicht gäbe – jetzt gibt es aber meistens nur Regenschwaden. Dort sitzen seit zwei Stunden die Wohnmobilfahrer aus Gasse 17 und trinken hoch subventioniertes Bier… rrrrrrrrrrrr. Natürlich macht uns niemand mitleidig Platz. An einem besonders schönen Tisch aber sitzt ein sympathisch wirkendes Ehepaar. Ich frage, ob wir uns dazu setzen können. Es wird nun ganz plauschig.
Die Beiden sind aus Rostock und haben ihre Enkelkinder (der Sohn wohnt seit Jahren in Lillehammer) wieder aus dem Omaurlaub zurück nach Oslo gebracht. Sie erzählen uns ein wenig, wie sie durch ihre häufigen familiären Aufenthalte Norwegen empfinden. Es deckt sich weitgehend mit unseren wesentlich weniger fundierten Beobachtungen, die ich hier mal als Zusammenfassung einschieben möchte:
- kein Land für Hektiker und Übermotivierte
Der Norweger ist von allen deutschen Stämmen wohl dem Thüringer am ähnlichsten. Er wartet erst mal aufmerksam und ruhig ab, bis er dann sinnstiftend tätig wird (oder energiesparend gar nichts tut). Die Beiden aus Rostock erzählten eine Geschichte, wie ein norwegischer Freund ihres Sohnes im Schnee auf einer engen Straße im Schnee stecken blieb. Ganze Familie: Mann, Frau, zwei Kinder. Er hat die Straßenwacht angerufen und sie um Hilfe gebeten. Dann hat er die Skier aus dem Kofferraum geholt und die ganze Familie hat erst mal eine erholsame Runde auf den Skiern in das nächste Restaurant gemacht. Dort haben sie auf den Anruf der Straßenwacht gewartet. Die Straße war in der Zwischenzeit nicht passierbar. Nur wenige Deutsche hätten in einer solchen Situation das Auto allein auf der Straße stehen gelassen. Allerdings muss man sich fragen, was denn eine Anwesenheit am Auto für Vorteile gebracht hätte. Man hätte in der Kälte gewartet und den anderen Autos erklären können, dass sie hier leider nicht durch kommen.
2. Eigenverantwortung
Ganz auffällig ist, dass es viel weniger Regeln und Einschränkungen gibt, dass aber die Regeln, die es gibt, sehr strikt durchgesetzt und bei Nichteinhaltung mit drakonischen Strafen versehen werden. Wer meinen Beitrag zur Osloer Oper gelesen hat: dies ist ein schönes Beispiel. Jeder der diese unregelmäßige und dadurch etwas gefährliche Schräge betritt sieht das und muss sich darauf einrichten. Es warnt kein Schild. Keine Kante ist gekennzeichnet und es sind bei schönem Wetter Tausende Menschen auf dem Dach der Oper unterwegs. Ganz anders als in Deutschland. In Schwerin musste ich z.B. bei achtzig Zentimeter tiefem Wasser, Warnschilder und Rettungsringe aufstellen und die Rettungsschwimmer des DRK verpflichten. Diese Auffassung zieht sich merklich durch alle Lebensbereiche. Im Winter gibt es keine „Anliegerpflicht“. Die Straßen werden nur notdürftig, wenn überhaupt, geräumt. Schnee und eisfrei sind noch nicht mal die Europastraßen – auch dort muss man im Winter mit einer festgefahrenen Schneedecke und auch Eis rechnen. Unser Rostocker Tischnachbar erzählt, dass er im Winter halt immer mit Schneeketten und mehreren Säcken Split hier Unterwegs ist … und das geht auch…. bis…. ja bis ein Deutscher kommt, der das nicht weiß und mit den Gewohnheiten aus Deutschland recht schnell im Straßengraben landet.
3. Lebenshaltung/Einkaufen
Ich will jetzt kein Gejammer über die hohen norwegischen Preise anstimmen. Wie wir wissen, gehören die Norweger mit zu den glücklichsten Völkern der Welt und da kann das ja mit den Preisen nicht so schlimm sein. Für unser mitrechnendes Inneres ist es aber schon eine Herausforderung mit gefühlt 70,00 EUR Warenwert an der Kasse zu stehen und 140 NOK zu entrichten. Hinzu kommt, dass es in Norwegen scheinbar keine Lobby für gesunde Ernährung gibt. Statt Frischkäse gibt es Schmelzkäse. Gemüse und Obst gibt es zwar aber meistens in sehr schlechter Qualität und viele Sachen wie z.B. Kohlrabi oder Chicorée sind dem Norweger unbekannt. Einzige Ausnahme ist der Fisch. Da ist das Angebot überwältigend gut und auch recht preiswert (im Schnitt die Hälfte der deutschen Preise).
Stellplätze/Campingplätze gibt es überreichlich und zu sehr moderaten Preisen – im Schnitt eher 2/3 vom deutschen Niveau. Abgesehen davon kann man diese Bilanz nach Belieben mit schönen einsamen kostenlosen Stellplätzen aufhübschen. Tanken findet auf ähnlichem Niveau wie im Moment in Deutschland statt, nur dass die Preise viel mehr schwanken als bei uns.
4. Alkohol
Das beliebteste Thema, sobald man über Norwegen redet. Ja, ist teuer. Aber je besser der Alkohol ist, um so geringer fällt der Unterschied aus. Es macht z.B. wenig Sinn einen guten Whisky nach Norwegen zu schmuggeln – da ist der Unterschied nur gering. Der augenfälligste Unterschied herrscht beim Bier. Selbst in Sonderangeboten wird man kaum eine Dose Bier unter 2,70 EUR finden und kann bei Markenbier auch mal 3,80 EUR bezahlen…. das hat uns aber kaum gestört – wir hatten 12 Dosen Bier mit, die haben recht lange gereicht und wenn wir dann doch mal ein Bier wollten, haben wir im Supermarkt ein Bier in den Wagen gelegt, so wie sonst die Schokolade als Luxusgut.
In dem Zusammenhang: durch das Gespräch mit den Rostockern, die ja ganz häufig in Norwegen sind, konnten wir eine Unklarheit beseitigen. Wenn man auf dem Schiff im DutyFree Alkohol kauft und den nach Norwegen einführt, muss man den als zu verzollende Ware angeben und entsprechend verzollen. Es ist also keineswegs so, dass diese Waren Freigrenzen beim Import aushebeln. Unsere Rostocker haben gesagt, dass sie, nachdem sie zweimal mit empfindlichen Strafen belegt wurden, nun immer „zoll-ehrlich“ nach Norwegen einreisen.
5. Ansonsten: schönes Land ohne schönes Wetter
Ja -. ist eine Plattitüde. Norwegisches Wetter ist schlecht. Meistens. Oft. Je nach dem, wo man ist. In der Gegend um Bergen, Regent es um die 300 Tage im Jahr. Da ist die Chance groß, nass zu werden, Tendenziell wird es wohl gen Norden, besonders jenseits des Polarkreises fast immer besser sein als im regnerischen Südwesten. Das war auch bei uns so. Lofoten waren zwar kühl aber mietsens sonnig und das beste Wetter hatte wir in Bleik, ganz hoch oben im Norden.
Teile des Wetters sind aber auch unverzichtbar, um die einzigartigen Landschaften zu inszenieren. Wie langweilig sieht denn ein Fjord ohne Wolken aus!!! Das wissen die Wolkenolme und treffen entsprechend Vorsorge.
Danke liebe Wolkenolme
6. Straßenverkehr
Durch die vielen und rigiden Geschwindigkeitsbeschränkungen und drakonischen Strafen läuft auf fast allen Straßen alles sehr smokt. Die schnellsten Autos sind die LKWs. Es ist ein probates Mittel, sich auf den oft abenteuerlichen Straßen hinter einen LKW zu klemmen, der dann die „Straße frei räumt“. Das klingt aber einfacher, als es ist. Die LKWs fahren so ungebremst, dass beim Verfolgen eine LKWs durchaus Race-Feeling aufkommt. Meistens ist das aber weder sinnvoll noch nötig. Gerade mit einem etwas größeren Fahrzeug wie unserer 6m-Mupfl fährt man fast automatisch höchstens so schnell wie erlaubt. Bergab muss man manchmal aufpassen. Wir haben in der ganzen Zeit genau einen unangekündigten Blitzer gesehen -. in einem Bushäuschen nach Bodö. Ansonsten stellen die Norweger eigentlich immer Schilder auf, die vor der Geschwindigkeitskontrolle warnen. Eine sehr wirksame Geschwindigkeitskontrolle sind die vielen Bumps in den Ortschaften. Oft werden die ganz vorsätzlich ohne jede Hervorhebung oder Warnung auf die Straße gepappt. Wenn Du das erste mal mit 60km/h über einen solchen Bump drüber gesprungen bist, wirst Du automatisch ganz ruhig
ENDE DES EINSCHUBS – wird bestimmt noch mal ergänzt
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Wir trinken eine ganze Weile zusammen mit den Rostockern und erzählen. Dann besuchen wir die Shopping Mall. Ina ersteht noch einen Abschluss-Troll, der Dunja Hayali erstaunlich ähnlich sieht. Keine Ahnung, was wir mit dem Troll machen sollen.
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Da es in der Mall einen Eisladen gibt, der anbietet: eine Kugel 4,00 EUR, zwei Kugeln 5,00 EUR, drei Kugeln 5,50 EUR können wir das Sparangebot nicht ausschlagen. Selbst die eine Kugel wäre schon ein Schnäppchen. In Oslo kostet eine Kugel Eis mal schnell 75 NOK.
Wir haben eine Kabine mit Außenfenster gebucht. Darüber sind wir nun sehr froh. Das Schiff fährt in den Skagerrak ein und die Dünung setzt das Schiff ganz ordentlich in Bewegung. …das läßt sich mit dem Blick aus dem Fenster sehr viel besser aushalten.
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Wir schlafen noch vor Mitternacht ein und verschlafen überraschenderweise das Geschaukel bei Windstärke 9 weitgehend.
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Da wir ab nun in Deutschland sind, ist hier das Ende des Tagebuchs erreicht.
Wir wollen noch zwei Tage an der Ostsee bleiben und dann nach Schwerin, die „Melmac“, unser kleines Segelboot ein wenig bewegen.
Am 15.08. wollen wir wieder in Dresden sein, dann sind tatsächlich insgesamt sieben Wochen ununterbrochen on the Road vorbei. Ähnlich lange waren wir nur damals in Neuseeland unterwegs. Wenn ich dann dieses Online-Tagebuch irgendwann im Winter zu einem Fotobuch komprimiere, werde ich sicherlich noch mal mit etwas Abstand resümieren.
Liebe Grüße an alle, die uns auf der Reise begleitet haben!